Gesundes-Herz-Gesetz: Mehr Pillen statt Bewegung

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Was trägt mehr zu einem gesunden Lebensstil bei als Sport? Sportvereine schlagen aber angesichts des Gesetzentwurfs Alarm. „Der Entwurf setzt insbesondere darauf, in Verantwortung von Apotheker*innen Vorsorgeuntersuchungen und Früherkennung zu stärken. Dagegen ist erst einmal nichts zu sagen“, erklärt Katja Sotzmann, Referatsleitung Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport im Landessportbund Berlin: „Aber damit einher geht auch die strukturelle Verankerung der Medikalisierung ab dem frühen Kindesalter.“

Herzgesundheit ist dem Sport ein besonderes Anliegen und sehr viele Sportvereine leisten mit ihren vielfältigen Angeboten einen entscheidenden Beitrag in der Prävention und Rehabilitation von Herz­ Kreislauf-Erkrankungen. Ein gesunder Lebensstil mit Nikotinverzicht, regelmäßiger Bewegung und ausgewogener Ernährung ist für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen von entscheidender Bedeutung. Aus Sicht des Sports müssen Prävention und Bewegungsförderung bereits bei den Kindern in Kita und Schule beginnen.

Im gerade veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Herzgesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz - GHG) wird zu Anfang darauf hingewiesen, dass „bis zu 70 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch modifizierbare Lebensstilfaktoren verursacht“ werden. Dazu werden insbesondere ungesunde Ernährung, Bewegungsarmut, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum gezählt. Der Unterstützung eines gesunden Lebensstils käme „daher eine Schlüsselrolle zu".

Die Arbeit der Sportvereine für Herzgesundheit würde bei Umsetzung des Entwurfs hochgradig gefährdet. Katja Sotzmann: „Sportvereine bieten ein großes Spektrum an Kursangeboten zur Prävention von Herzerkrankungen. Der Entwurf beinhaltet die Abkehr von Prävention und Gesundheitsförderung hin zu mehr Medikamenten und Diagnose. Drastisch ausgedrückt: Mehr Pillen statt Bewegung bereits im Kindesalter.“

„Präventionskurse drohen massenweise wegzufallen - und damit eines der wirksamsten Instrumente zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf­ Erkrankungen. Ohne diese Präventionskurse gibt es auch kaum noch konkrete Angebote, auf die Ärzt*innen die Patient*innen verweisen können“, erklärt Katja Sotzmann. Das würde auch das Rezept für Bewegung wertlos machen, das Ärzteverbände und der organisierte Sport in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt und mit Strukturen unterfüttert haben.

Die zusätzlichen Kosten aus den bisherigen Präventionsleistungen der Krankenkassen im Kursbereich, wie etwa ein Präventionskurs zur Vermeidung von Herz-Kreislauferkrankungen, sollen aus den Leistungen herausgelöst werden. Die (ärztliche) Früherkennung und die Präventionsberatung zu Risikofaktoren – wie etwa ungesunder Ernährung, Bewegungsarmut oder Suchtmittelgebrauch – sollen durch monetäre Anreizsetzung für Ärzt*innen und Apotheker*innen gestärkt werden. Damit würde die Finanzierung der Kurse, die der Vermeidung der Krankheit dienen, untergraben.

Über die zurückliegenden Jahrzehnte hat der organisierte Sport mit Hilfe der Wissenschaft effiziente und qualitätsgesicherte Instrumente zur Ansprache von Nicht-Bewegern entwickelt. So sind allein die Qualitätssiegel SPORT PRO GESUNDHEIT des DOSB und der Bundesärztekammer (ein Siegel für Präventionskurse) sowie das Rezept für Bewegung von DOSB, Bundesärztekammer und Deutscher Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention strukturell verankerte Instrumente, um Menschen dauerhaft zu mehr Bewegung und Sport zu motivieren und damit entscheidend zur Gesundheitsprävention beizutragen.

Die Abkehr von Präventionskursen würde den Beitrag der Sportvereine auf die Gesundheitsprävention stark reduzieren. Bereits heute bieten 29% bzw. 700 Berliner Sportvereine Programme mit Gesundheitsbezug an (vgl. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2020-2022 – Länderbericht Berlin), um einen gesunden Lebensstil der Bevölkerung zu unterstützen. Die Finanzierung von Krankenkassen stellt einen guten Anreiz für die Teilnehmenden dar, um in den Gesundheitssport einzusteigen und ermöglicht den Vereinen Gesundheitsförderung und Prävention neben dem klassischen Sportbetrieb in ihren Vereinsstrukturen zu verankern. Damit zeichnen sich Sportvereine bereits jetzt schon besonders für eine gesundheitsfördernde Lebenswelt aus, die es von der Politik anzuerkennen gilt, so die Politische Forderung des Sports.